Tag der Schiene

Als ich neulich gegen 22 Uhr Olaf und Judith, die mich besuchen wollten (wegen Zugausfalls nahmen sie eine Route über Aschersleben), vom Salzwedeler Bahnhof abholen ging, las ich auf der digitalen Bahnsteiganzeige in Dauerschleife den Spruch: „Tag der Schiene. Feiern Sie mit!“ 

 

Hätte ich das gewußt, hätte ich doch glatt ein Piccolöchen mit auf den Bahnsteig genommen und jetzt den Schraubverschluß zischen lassen, um einfach mal mitzufeiern auf die trillionste Verspätung der Deutschen Bahn. Zwischen Magdeburg und Uelzen, mit Stopp in Salzwedel, verkehrt übrigens der berühmt überfüllte Regionalexpress, der die Reisenden dann in Uelzen auf den Hundertwasserbahnhof mit den dreistelligen Bahnsteignummern ergießt, dessen Unterführung eine Gleichgewichtsherausforderung für verzweifelte Omis mit Rollkoffer darstellt, weil Hundertwasser ja mit so einem stinknormalen Weg, der einfach nur glatt und eben gebaut worden wäre, nicht so viel anfangen konnte. Uneben wie das Leben stolpert man von Gleis 116 zu Gleis 119, um noch in dem Metronom nach Hamburg gnädige Aufnahme zu finden. Aber was soll der Defätismus. Es ist „Tag der Schiene“, da wird gefeiert. Doch in die Schienenumgebung von Salzwedel geschaut, ist mir eher nach Bahntrauertag zumute: „Tag des toten Gleises, weinen Sie mit“, möchte ich als Bahnpathetiker rufen. Denn bis vor einigen Jahren hätte man mit der Bahn nach Arendsee reisen können oder auf der Strecke südlich Salzwedels nach Kuhfelde. In der Landschaft finden sich noch die verfallenden Überreste, die romantisch ruinösen Zeugen Mehdornschen Bahnbörsengangwahns. 

 

Rostende Gleise und Schwellen, Signale im Grün, heckenrosenüberwachsene Dämme und Brückenanlagen. Hier kann der Bahnnostalgiker schöne Fotos machen von einer untergegangenen Welt namens Regionalbahnverkehr. Das letzte Nest hatte hier einst einen kleinen Bahnhof. Immerhin, der Bahnhof von Salzwedel wurde vor nicht allzu langer Zeit schlicht und ohne Hundertwasser einfach mal originalgetreu renoviert. Darin ist nun eine Glücksspielhalle untergebracht. Und ein Glücksspiel ist schließlich jede Fahrt mit der Deutschen Bahn.

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Besuch der katholischen Freundin

Abschied

Tierpark