Der große Freibadtest von Salzwedel; Rutsche, Sprungturm, 50-Meter-Becken. Kreis badet es aus.

Unweit von der Marienkirche entfernt, an der Dumme gelegen, befindet sich das Salzwedeler Freibad. Läuft man auf den Haupteingang zu, könnte man für einen kurzen Moment eine seltsame Assoziation haben: 

 

Nanu, sieht das nicht aus wie Buchenwald? Oder geht das nur mir so? Eine gewisse Ähnlichkeit des Eingangsbereichs scheint mir jedenfalls nicht völlig abwegig. In diesem optisch etwas belasteten Eingangsgebäude befinden sich die Toiletten, die Umkleide und ein Imbiß für Pommes. Für drei Euro Eintritt dürfen wir durch die Drehtür. Wir überblicken eine ausgedehnte Wiese. Es gibt ein Beachvolleyballfeld und ein Basketballspielbereich zum Austoben von überschüssigen Energien. Tischtennisplatten und Sitzbänke. Ein Kinderspielplatz für die kleineren Badegäste. Das alles gruppiert sich um die Schwimmbeckenlandschaft im Zentrum des Areals. Die ist wiederum mit einem halbhohen Bretterzaun und Heckenbepflanzung umgeben. In den inneren Badebereich gelangt man nur über vier Zugänge. Dort durchschreitet man ein Fußbecken, damit keine Blätter und andere Schmutzpartikel hineingeschleppt werden. Es gibt auch jeweils eine Dusche, um sich vorbereitend abzukühlen. Diese Badübergänge haben nicht nur eine hygienische Funktion, wie mir scheint, sondern auch eine ordnungspolitische. Kleinkinder können nicht einfach so losrennen und ins tiefe Becken fallen. 

 

Nun zu dem entscheidenden Kriterium für Freibäder. Es gibt eine große Wasserrutsche! Nein, Quatschplatsch, wie Pitti sagen würde. Die gibt es zwar auch, entscheidend ist allerdings ein 50 m Schwimmbecken. Außerdem, davon abgetrennt, ein Dreimeterturm mit eigenem Becken. Wer unbedingt laut sein will und Mädchen ins Becken schubsen (oder gleichberechtigt umgekehrt), hat hier seine Freude. Alle Bereiche sind ausreichend voneinander getrennt, mit Abstand zueinander, sodaß sich die unterschiedlichen Bedürfnisse der Badegäste kaum behindern. Es gibt ein extra flaches Kinderbecken. Ein größeres Nichtschwimmerbecken mit Spezialattraktionen wie einem Wasserpilz (sieht aus wie ein Pilz von dem Wasser runterläuft), Wassersprudel, die von unten aufsteigen und einem Strömungskanal, in dem man sich treiben lassen kann. Und dann gibt es eben noch die Wasserrutsche.   

 

Also dann los, meine Freundin, die katholische Badenixe, ist natürlich schon längst im 50 Meter Becken und 300 Meter geschwommen. Sie ist ehrgeizig und zählt die Bahnen. Ich schwimme von hinten an sie heran und mache „Weißer Hai“. Meine Freundin möchte keinen weißen Hai, sondern schwimmen. „Als Kolumnist mußt Du natürlich auch testen, wie die Rutsche ist“, sagte sie dann. Na gut. Beinah hätte ich gedacht, sie will mich bloß loswerden. Oben auf der Plattform drängeln sich Mädchengruppen, Kinder mit Väterbegleitung und Jugendliche. Der Jugendliche ist ein Rudeltier und entfaltet erst in der Gruppe das ganze Potenzial seiner Penetranz. Aber ich muß ja nun die Rutsche testen. Ein einziges Mal nur, nämlich im Jahr 1996, war ich auf so einer Rutsche gewesen, damals bei der Bundeswehr, als wir zu einem Ausbildungskurs nach Zweibrücken abkommandiert wurden. Jeden Abend sind wir ins Zweibrücker Hallenbad, und ich bekam im Anschluß von diesem Spaß eine schöne Mittelohrentzündung. Es geht ordentlich ein paar Treppen rauf, bevor ich die Plattform erreiche. Beim Einstieg ist eine Querstange, die soll man greifen und dann geht es mit Schwung in die halboffene Röhre hinein. Zwei Mädchen rutschten vor mir auf Knien nach unten. Ist eigentlich nicht erlaubt. Auf dem Schild steht, mit den Füßen voran nach unten. Das mach ich auch mal lieber. Gemächlich geht es um die erste Kurve. Seltsamerweise nehme ich gar nicht richtig Fahrt auf. Um genau zu sein, nehme ich überhaupt gar keine Fahrt auf. Ich sitze in der Röhre und komme – nicht weiter. Ich versuche mit meinem Hintern irgendwie nach vorne zu rutschen. Ich klebe am Boden der Rutsche fest. Was mach ich denn jetzt? Ich sehe schon den nächsten von hinten in meinen Rücken krachen. Ich greife zum Rutschenrand und ziehe mich hoch. Aufrecht stehe ich in der Rutsche, es kommt auch schon ein Junge angebraust, der ein überraschtes Gesicht zieht und „O“ ruft. Einen "Erwachsenen", der ungelenk auf der Bahn steht, hat er natürlich nicht erwartet. Ich bins doch nur, Herr Kreis, die Spaßbremse auf der Wasserrutsche. Ich weiche ihm aus und setze mich wieder hin, aber keine Chance voranzukommen. Ich stehe wieder auf. Da kommen auch schon die nächsten um die Ecke. Sie rutschen seitlich an meinen Beinen vorbei. Meine Freundin wird mir berichten, daß sie mich dort oben aufrecht in der Rutsche stehen sah, und sich dachte, was macht er denn da? Tja, was mache ich. Ich könnte mich als Klimakleber outen und mich hier einfach wieder in die Röhre setzen und den Verkehr komplett zum Erliegen bringen. Da mache ich mir bestimmt viele Freunde in Salzwedel. Wahrscheinlich guckt auch schon die Salzwedeler Bademeisterin auf das seltsame Treiben hier auf der Rutsche. Es hilft nichts. Ich muß zurück. Ich halte mich rechts und links am Rutschenrand fest und laufe die wenigen Meter, die ich zu rutschen geschafft habe, zurück bis zur Plattform. Immerhin, ein Junge denkt, ich bin so cool und mache das alles mit Absicht, sodaß er auch gleich in der Rutsche herumläuft. Doch ich gebe mein Mißgeschick preis und schiebe es auf die Badehose. Die sei nicht rutschig genug, versuche ich mich vor den Leuten auf der Plattform zu rechtfertigen. Ein Vater, der mit seinen beiden Töchtern runterrutschen will, klärt mich auf. Stoff bremst, deshalb müsse ich den Hintern nach oben drücken und auf den Schultern und Füßen die Rutsche berühren, dann klappt es auch mit dem Runterrutschen. Nach dem einmaligen Rutschen - damals in Zweibrücken - habe ich das komplett vergessen und fühle mich sehr dusselig. Ich also wieder rein, Hintern hochgedrückt und tatsächlich. Es funktioniert. Ich schnelle die Biegungen nach unten ins Becken. Geht doch. Von weitem sehe ich meine Freundin, die das offenbar alles sehr lustig findet. Zum Glück habe ich wenigstens keinen Freibadverweis von der gnädigen Bademeisterin erhalten. Und wenn ich mich schon so zum Kasper gemacht habe, kann ich auch gleich noch vom Dreimeter springen. Ich steige tapfer hinauf. Habe ich schon meine leichte Höhenangst erwähnt? Also gut, rauf auf das Brett. Ich stehe vorn - ein Mädchen ruft von unten: „Du schaffst das“ - und springe, kerzengerade und gar nicht peinlich, wie meine Freundin mir hinterher versicherte, ins Wasser. Dafür ist sie ja auch meine Freundin, damit sie mir das sagt. Nach so viel Abenteuer saß ich schließlich in der Sonne und versuchte, das Wasser aus den Ohren zu bekommen. Nicht, daß ich am Ende wieder eine Mittelohrentzündung kriege.    


 

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