Busausflug mit Kloster und See
Wenn man hier oben ist, sollte man das größte Plantschgewässer der Altmark nicht unbeschwommen lassen. Mit dem Bus 200 und einer in zigarettenrauchiger Stimmlage dauertelefonierenden Busfahrerin von grundherber Freundlichkeit geht es von der Haltestelle Thälmannstraße, die aussieht, wie Thälmannstraßen aussehen müssen, in circa 38 Minuten zum Arendsee, Haltestelle Kloster.
Die schönste Straße von Salzwedel.
Der Bus schwankt los und nebenher kriegen wir ein kleines Telefonhörspiel geboten (dank Ohrstöpsel kann frau ja telefonieren und lenken). „Ick sach Dir, von dem lass ich mir nüscht sagen, der solls ruhig versuchen“, beginnt der Schwank in voller Fahrt und wir haben über die Stationen Zeit, uns in das Gefüge der Probleme einzuhören. „Ich rooch doch nich in dem sein Bus, der hattse wohl nich mehr alle." Offenbar hat sie Ärger mit einem Kollegen, dessen Bus sie für eine Tour gefahren ist, und der sich nun beschwert hat. Kollegen sind manchmal, egal in welcher Branche, Arschlöcher. Da kann ich ihr nur beipflichten.
Wir fahren eine Stichstraße ab, drehen eine Runde in dem angesteuerten Dorf mitten im berühmten altmärkischen „Nüscht“. Hier ist nicht nur der Hund begraben, sondern auch alles andere. Gehalten wird, wenn jemand dasteht oder einer auf die Haltwunschtaste drückt. Ein älterer Herr begehrt nach Ausstieg. Beim Verlassen des Busses sagt er: „Schöne Frau, eine gute Fahrt wünsche ich ihnen.“
„Danke, aber so schön bin ick jar nich.“
„Macht nichts, ich kann sowieso nicht mehr richtig sehen.“
So geht altmärkische Charmanz.
Wie die Sache mit dem Kollegen ausgeht, müssen wir ein andermal weiterhören, denn oben auf der Digitalanzeige steht unser Haltewunsch: Kloster. Und tatsächlich, gleich neben der Bushaltestelle, direkt am See erhebt sich eine stattliche Bachsteinklosterkapelle eines Benediktinerinnenklosters. Nach der Reformation fungierten die Gebäude als evangelisches Frauenstift wie ich einer Informationstafel entnehme.
Die Nonnen hatten einst einen fantastischen Seeblick, wie wir feststellen, als wir seitlich um die Kirche herumgegangen sind und auf das dahinterliegende Klosterareal blicken. Reste der Klosteranlage sind noch vorhanden. Rein kommen wir an dieser Stelle jedoch nicht. Ein Schild zeigt an, daß das dazugehörige Museum von der anderen Seite zu erreichen ist. Doch Pech. Dienstag und Mittwoch ist das Museum samt den Klosterresten nur nach Voranmeldung zu besuchen. Willkommen im Reich der Rufbuse und Rufmuseen. Kein Mensch zu sehen. Der Zaun zu dem Klosteraraeal ist allerdings so niedrig, daß ich einfach drübersteige. Meine klosterbegeisterte Freundin tut es mir gleich. Es ist ja schon ein sehr großer Fortschritt, daß sie mit mir zusammen mal etwas Verbotenes macht. Ein Zeichen der Befreiung vom katholischen Über-Ich (nun muß ich dazu sagen, daß der Protestantismus eigentlich die schlimmeren Über-Iche in die Seelen schraubt als der Katholizismus, der zumindest noch die Beichte und den Karneval hat). Im Falle meiner katholischen Freundin, die in Magdeburg aufgewachsen ist, reichen sich in ihrer Erziehung leider preußisches Pflichtempfinden und verkorkster ostdeutscher Katholizismus ohne die rheinische Fröhlichkeit die betenden Hände. Immerhin haben wir jetzt eine heilsame Gesetzesübertretung vollzogen und laufen auf dem ehemaligen Klostergelände herum, und haben dafür gottgefälligerweise keinen Eintritt bezahlt. In einer Mauer gibt es einen sehr niedrigen Durchgang. Daneben ein Schild auf dem zu lesen ist: „Demutspforte, - nur gebückt begehbar -“.
Ich mußte an dieser Stelle leider umkehren, weil ich dort partout nicht durchkam.
Gleich unterhalb des Klosters gibt es eine öffentliche Badestelle.
Premiere. Wir schwimmen zum ersten Mal im Arendsee. Ich höre ein Grollen, und fürchte, daß ein Gewitter heranzieht. Aber dann bemerkte ich, es ist ein Kampfflugzeug. Wahrscheinlich kam es von der Colbitzer Heide herüber, wo auf dem Truppenübungsplatz derzeit ein NATO-Manöver stattfindet. Ein paar Enten grollen auch, weil ich ihnen in die Quere schwimme. Dann grolle ich, weil ein Raddampfer sehr nah am Ufer seine Bahn durch den See zieht und dabei unsere Kreise stört. Auf den Rängen des Radschauflers lassen sich Menschen mit Altershintergrund geruhsam in dieser Pfütze herumschippern, während ich um mein Leben schwimme (eine kleine Übertreibung sei gestattet). Wir retten uns ans Ufer bzw. schwimmen in Ruhe zurück, und sitzen noch ein bißchen in der Sonne, bevor uns der Bus wieder nach Salzwedel bringt. Und wir haben Glück mit der Busfortsetzungsgeschichte, als wir erkennen, wer uns mit rauchiger Stimme hinterm Steuer erneut die Fahrberechtigung prüft.
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