Zurück nach Salzwedel

Eigentlich könnten meine Notizen auch „Zurück nach Salzwedel“ heißen (ich lese gerade „Zurück nach Rom“ von Dante Andrea Franzetti, und ist Salzwedel etwa nicht das Rom der Altmark? Soviel größer ist der Tiber nun auch wieder nicht als die Jeetze.) Da meine Freundin, die ich in meinen Kolumnen immer meine katholische Freundin nenne, weil sie im recht unkatholischen Magdeburg trotzdem sehr katholisch aufwachsen mußte, ebenfalls Schriftsteller ist und schon viele Romane geschrieben hat (während ich meinen immer nur fleißig ankündige), erhielt sie bereits 2020 das Salzwedelstipendium, wodurch ich als ihr Partner in den Genuß kam, sie hin und wieder dort besuchen (und von der Arbeit ablenken) zu dürfen. Es war im Oktober bis Dezember 2020, die Hochzeit von Corona, die Alpha-Variante wurde langsam von der Delta-Variante abgelöst, eine Impfung war in Sicht, aber noch nicht in den Oberarm zu bekommen. Im ersten Coronaherbst war Salzwedel ein Pandemieexil für uns. In den Weiten der Altmark ist Soziale Distanz ein natürlicher Zustand. Wir fuhren mit den beiden Damenfahrrädern, die den Stipendiaten zur Verfügung stehen, flott hinaus in die flache Gegend nach Norden, an Meliorationsgräben entlang, am Stadtwald von Salzwedel vorbei, und alsbald hatten wir das grüne Band erreicht, den einstigen Todesstreifen, nun ein Naturschutzgebiet, das sich durch seltene Flora und Fauna ausweist. Für irgendwas mußte sich ja der Mauerbau gelohnt haben. Damit man nicht zu sehr ins Scherzen gerät, bevor man ungehindert in den Westen rübermacht, erinnert ein Gedenkkreuz daran, daß 1973 an dieser Stelle Hans Franck von einer Selbstschußanlage bei dem Versuch, die innerdeutsche Grenze zu überwinden, schwer verletzt wurde. Er hatte es noch ins Wendland in ein Krankenhaus geschafft und verstarb dort. Drüben, in Niedersachsen, geht es dann genauso flach und angenehm leer weiter, bis wir die ersten Häuser eines westdeutschen Straßendorfes erreichten. Die Straße, auf der wir seit unserem imaginären Grenzübertritt radelten, trug, obwohl noch lange nichts von diesem Dorf zu sehen war, den wohl treffendsten Namen, den solche Straßen in Deutschland bekommen können: Dorfstraße. Wir folgten ihr noch bis zum nächst größeren Ort Wustrow und kehrten dann wieder zurück nach Salzwedel. Wohin ich auch im Jahr 2023 zurückgekehrt bin und jetzt im Innenhof des Stipendiatenhauses sitze, mich von der altmärkischen Sonne bescheinen lasse und meinen Roman lieber wieder etwas auf die lange Bank schiebe, die hier zum Glück für solche unerledigten Werke bereitsteht.     


 

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